Junge Mädchen für Naturwissenschaften begeistern – und Lehrerinnen gleich mit
LEARNTEC 2025: Interview mit Prof. Dr. Uta Hauck-Thum zu Minti, dem MINT-Cluster München, und Female Empowerment an Grundschulen
Mathematikerinnen, Ingenieurinnen, Informatikerinnen, Physikerinnen, Elektronikerinnen – Frauen sind in MINT-Berufen nach wie vor unterrepräsentiert. Gegenteilig verhält es sich jedoch beim Grundschullehramt. Im Interview mit Prof. Dr. Uta Hauck-Thum, Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, haben wir über Minti gesprochen, das 2024 gestartete MINT-Cluster aus München, das sich nicht nur dafür einsetzt, MINT-Talente bei jungen Mädchen zu entdecken und zu fördern, sondern auch dafür, angehende Lehrerinnen für MINT-Themen zu sensibilisieren.

Was hat Sie dazu motiviert, sich beim MINT-Cluster „Minti“ zu engagieren und was begeistert Sie persönlich an der Idee und am Thema Female Empowerment an Grundschulen?
Prof. Dr. Uta Hauck-Thum: Was mich zum einen umtreibt, ist die Tatsache, dass Mädchen und Jungen im Grundschulalter ähnliches Interesse an MINT-Themen zeigen, dieses aber bei den Mädchen mit den Jahren deutlich abnimmt, während es bei den Jungen zunimmt. In Folge zeigen Mädchen und auch bestimmte ethnische Gruppen, unabhängig vom Geschlecht, ab der Sekundarstufe geringeres Interesse, vor allem in den Bereichen Mathematik, Informatik und Technik. Dementsprechend gestaltet sich auch die Situation am Arbeitsmarkt. In Deutschland gelingt es aktuell nicht in ausreichendem Maß, allen Heranwachsenden, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Bildungshintergrund, Bildungsgelegenheiten zu eröffnen, die dazu beitragen, das Interesse, die Beteiligung und auch die Leistung in MINT-Fächern zu steigern.
Zum anderen sind meine über 90 Prozent weiblichen Studierenden im Lehramt Grundschule nicht unbedingt Rolemodels im MINT-Bereich. Im Studium werden sie in der Breite auf einem sehr niedrigen Niveau in den MINT-Fächern ausgebildet, was sich auf die Gestaltung des Unterrichts in diesen Fächern auswirkt.
Dagegen wollen wir angehen. Das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte MINT-Cluster Minti – Female Empowerment Grundschule (www.minti-cluster.com) zielt auf die Gestaltung und Umsetzung transformativer Lehr- und Lernsettings ab, um vor allem Mädchen bereits in der Grundschule für MINT-Themen zu begeistern und bei den vorwiegend weilblichen Studierenden schon während des Studiums das Bewusstsein für ihre zentrale Bedeutung als Rolemodels im MINT-Bereich zu wecken und zu stärken.
Wie wichtig ist die Vernetzung mit außerschulischen MINT-Akteuren und Akteurinnen und welche Rolle spielen Eltern und Schulen im Gesamtkonzept, also wie können sie bei der Umsetzung und Sichtbarmachung von MINT-Angeboten mitwirken?
Prof. Dr. Uta Hauck-Thum: Außerschulische Labs und Makerspaces stellen bereits vielfältige Angebote zur MINT-Bildung zur Verfügung, die sich explizit auch an Kinder und ihre Eltern richten. Allerdings sind diese meist punktuell und werden gerade von bildungsfernen Eltern wenig genutzt. Durch die nachhaltige Vernetzung außerschulischer Lernorte mit den Schulen kann es gelingen, auch bildungsferne Eltern stärker in die Angebotsstruktur einzubinden. Eltern sind wichtige Begleiter:innen ihrer Kinder auf dem Weg in das berufliche Leben. Jedoch verfügen nicht alle Eltern über die gleichen Ressourcen, um ihre Kinder optimal zu unterstützen. Deshalb braucht es Angebote, die dazu beitragen, Eltern für eine unterstützende Begleitung von Mädchen und Jungen bei ihrer Lernentwicklung gerade im Bereich MINT zu sensibilisieren.
Das Minti-Cluster adressiert die bildungsbenachteiligten Kinder über sogenannte Minti-Clubs an den Schulen, bietet aber auch für Kinder und Eltern außerschulische Angebote an, die gemeinsam besucht werden können. Schulen gehen mit außerschulischen Lernorten nachhaltige Bildungspartnerschaften ein und öffnen sich gemeinsam, um Kinder und Eltern gemeinsam bestmöglich auf ihrem Bildungsweg zu unterstützen.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Sensibilisierung von Studentinnen für MINT-Themen – und wie lassen sich diese überwinden? Glauben Sie, dass es ein Umdenken in der Lehrerinnenbildung braucht? Wenn ja, wie sollte dieses konkret aussehen?
Prof. Dr. Uta Hauck-Thum: Was ich bei manchen Studentinnen beobachte, ist das Phänomen der „Mathsanxiety“ (Matheangst), die sich auch in den Bereichen Informatik und Physik zeigt. Matheangst äußert sich in Unbehagen und Nervosität, wenn man an Mathematik denkt oder sich mit Mathematik beschäftigt. Zudem kann sich auch Angst davor entwickeln, das Fach zu unterrichten. In Folge ergeben sich negative Auswirkungen auf die Gestaltung von Unterricht, wie die Studie von Anne Frenzel et al. aus dem Jahr 2016 gezeigt hat . Bei den betroffenen Personen lässt sich ein stark strukturierter und wenig kognitiv anspruchsvoller Unterricht beobachten. Zudem zeigt sich ein hoher Anteil an frontalen Vermittlungsphasen bei wenig kommunikativer Beteiligung. Dieser Unterrichtsstil wirkt sich insbesondere bei Mädchen im Verlauf der Grundschulzeit negativ auf den Kompetenzerwerb aus.
In der Lehramtsausbildung sollten die Studierenden deshalb aus meiner Sicht mehr Erfahrungen machen dürfen, die sich positiv auf ihre eigene Haltung und Einstellungen zu MINT-Fächern auswirken. Dazu zählt auch die Gestaltung anregender Lehr- und Lernprozesse in Kooperation mit außerschulischen Lernpartnern, die zum Erforschen und Entdecken anregen. Groß und Klein entwickeln dadurch eine offene Haltung zu technischen Entwicklungen und Technikoffenheit durch Selbstbestimmungserfahrung und erwerben Kompetenzen, die sie benötigen, um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen kreativ und kritisch zu begegnen.
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Auf der LEARNTEC hält Prof. Dr. Uta Hauck-Thum hierzu auch mehrere Vorträge – unter anderem am 6. Mai um 10 Uhr über „Die transformative Kraft der MINT-Bildung – Minti“ sowie am 8. Mai um 11:30 Uhr zum Thema „Schultransformation gemeinsam gestalten“.